„Wir wollten einen ehrlichen Stahlbau machen“, erklärt Architekt Frank Barkow, der gemeinsam mit Projektleiter Heiko Krech in zweieinhalb Jahren die Smart Factory für den deutschen Laserhersteller TRUMPF realisierte. Das Bauwerk wurde mehrfach ausgezeichnet. Für das Jahrbuch Ingenieurbaukunst 2020 hat der Ingenieur Thorsten Helbig (Knippers Helbig) einen Beitrag zur Trumpf Smart Factory verfasst. Beim Symposium Ingenieurbaukunst – Design for Construction wird Thorsten Helbig das Projekt auch vorstellen.
Bernhard Hauke hat mit Frank Barkow und Heiko Krech über die Smart Factory gesprochen:
Die Trumpf AG ist bekannt für anspruchsvolle Corporate Architecture. Was war die Aufgabe bei der Smart Factory?
HK: Für Trumpf ging es zum einen darum, den Vertrieb in Nordamerika räumlich neu zu positionieren, zum anderen ein Gebäude für ein völlig neues Produkt zu bauen. Das Unternehmen arbeitete, als wir mit der Planung anfingen, daran, seine Maschinen miteinander „sprechen zu lassen“. Laser, Schweiß-, Kant- und Stanzmaschinen wurden digital miteinander vernetzt und somit voll automatisiert. Der neue Showroom in Chicago sollte einen geeigneten architektonischen Rahmen für diese neue Technologie bilden.
Chicago, das architektonisch von Ludwig Mies van der Rohe geprägt wurde oder die Industriebauten von Albert Kahn in Detroit: Welche Rolle spielte für Sie der Ort?
FB: Natürlich denkt man beim mittleren Westen an einige herausragenden Meilensteine der jüngeren Architekturgeschichte: Mies in Chicago, Saarinens Traktorenfabrik in Des Moines und an Albert Kahn in Detroit. Diese Bautradition hat unseren Gestaltungsansatz enorm beeinflusst: Wir wollten einen ehrlichen Stahlbau machen und nicht mit den, im heutigen Industrie- und Gewerbebau der USA, üblichen Fertigteilen arbeiten.
HK: Trumpf hat uns hier sehr unterstützt, da Metallverarbeitung Teil der Unternehmensidentität ist. Das Grundstück, auf dem 1991 die Hauptverwaltung von Ameritech (später AT&T) nach einem Entwurf von Dirk Lohan, dem Enkel von Mies van der Rohe, gebaut wurde, bot uns mit seiner Geschichte als bedeutender Firmencampus und seiner äußerst reizvollen Landschaft, den perfekten Standort für das Bauvorhaben.
Eines der prägenden Elemente der Smart Factory sind die Vierendeelträger über dem Showroom. Welchen Bezug haben Sie zum Tragwerksentwurf?
FB: Weder Architektur noch Tragwerk stehen für sich. Wir arbeiten bei jedem Projekt interdisziplinär mit unseren Tragwerkplanern zusammen. Alleine mit der Aufgabe, eine Halle stützenfrei mit 45 Meter zu überspannen, fängt der Diskurs schon an.
Zu welchem Zeitpunkt sind die Ingenieure von Knippers Helbig dazu gekommen?
HK: Knippers Helbig kam dazu, als die Raumverteilung und die grobe Kontur des Gebäudes definiert waren und wir begannen, über das Tragwerk nachzudenken. Später haben sie uns auch bei der Fassadenplanung beraten.
Wie war der kreative Prozess beim Dachtragwerk? Was war dabei die Rolle der Ingenieure?
FB: Anfangs wollten wir Holzträger verwenden, als Vollwand-Leimschichtbinder wären diese 2–3 Meter hoch geworden und hätten zu viel Raum gebraucht. Also sind wir auf Stahl umgeschwenkt, welcher bei einer solchen Spannweite geringere Höhen benötigt. Zuerst haben wir geschweißte Dreiecksquerschnitte als Kastenprofil versucht, die Höhe der Träger sollte sich dem Momentenverlauf anpassen. Doch dann kam uns die Idee, den Catwalk, den Trumpf sich für seine Kunden wünschte, in das Tragwerk zu integrieren und damit auch die ohnehin notwendige statische Höhe zu nutzen. Deshalb der Vierendeelträger. Nur dass wir die eigentliche Brücke durch die Träger gesteckt haben. Die Transformation dieser architektonischen Idee in ein Tragwerk war nur in enger Kooperation mit den Ingenieuren zu erzielen.
Form und Konstruktion der Träger scheinen optimiert im Hinblick auf Materialeinsatz und Fertigung. Was ist Architektur, was Tragwerksplanung? Gibt es da überhaupt eine Trennung?
HK: Die Idee des begehbaren Dachtragwerks war stark an das Budget gebunden. Knippers Helbig konnten aber zeigen, dass der Stahlverbrauch durch den aufgelösten Querschnitt der Vierendeelträger keinesfalls höher war als der von Doppel-T-Trägern bei der gleichen Spannweite. Dann kam Trumpf ins Spiel: Sie hatten die Idee, dass man die Träger, und damit quasi das eigene Dach, von einem amerikanischen Kunden mit Trumpf-Lasern fertigen lassen könnte. Aus marketingtechnischer Sicht war das natürlich ein Volltreffer. Was folgte, war eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Tragwerksplanern und Architekten, aber auch den Ingenieuren von Trumpf sowie den Stahlbauern vor Ort.
Welchen Einfluss auf Prozess und Ergebnis hatte die Verwendung der Trumpf-Maschinen für die Stahlbearbeitung?
HK: Ohne die Trumpf-Technologie wäre der Bau maßgeschneiderter Träger, wie wir sie in diesem Projekt benötigten, nicht möglich gewesen. Knippers Helbig hat den Kräfteverlauf in unserem Vierendeelträger simuliert, wodurch wir genau wussten, an welchen Stellen Spannungen im Stahl auftreten. Auf Grundlage dieser Berechnungen konnten wir die Blechformate mit dem Laser exakt zuschneiden lassen.
Wo sind die Potential für lasergefertigte Stahlkonstruktionen jenseits des Besonderen?
FB: In der Blechbearbeitung hat der Laser durch seine Präzision und Schnelligkeit große Vorteile. Im Automobilbau ist die Technologie dadurch bereits zum Standard geworden. In der Architektur ist es eine Kosten-Nutzen Frage. Mit den vorhandenen Stahlbauprofilen kommt man schon ziemlich weit. Der Laser wird aber Wege öffnen, wo man mit herkömmlichen Mitteln an Grenzen stößt.
Frank Barkow (62) ist seit 1993 Partner bei Barkow Leibinger und seit 2000 Professor an der Harvard University sowie der Princeton University.
Heiko Kerch (50) studierte Architektur an der Universität Kaiserslautern und ist seit 2008 Partner bei Barkow Leibinger.