James-Simon Galerie Berlin: Auf Mudde gebaut?

James-Simon Galerie Berlin: Auf Mudde gebaut?

Prof. Gerhard Eisele und Josef Seiler
Prof. Gerhard Eisele (l.), Foto: Ringfoto Kunze Karlsbad; Josef Seiler (r.), Foto: Ingenieurgruppe Bauen

Schwierige Baugrundverhältnisse und die historisch wertvolle Umgebungsbebauung auf der Museumsinsel in Berlin erforderten ein besonderes Gründungskonzept. Planung und Ausführung der Rohbaukonstruktion und die hohen Anforderungen an Sichtbetonflächen waren eine Herausforderung. Für das Jahrbuch Ingenieurbaukunst 2020 haben Gerhard Eisele und Josef Seiler (Ingenieurgruppe Bauen) einen Beitrag zur James-Simon Galerie verfasst. Beim Symposium Ingenieurbaukunst – Design for Construction werden sie das Projekt vorstellen.

Bernhard Hauke und Nicole Werner haben mit Gerhard Eisele und Josef Seiler über die James-Simon Galerie gesprochen:

Prominenter Architekt und zentrale Lage: Wie war die Zusammenarbeit?

Mit DavidChipperfieldArchitects arbeiten wir mittlerweile seit mehr als 20 Jahren zusammen – unter anderem am Neuen Museum auf der Museumsinsel in Berlin, dem Literaturmuseum in Marbach, dem Haus Bastian und der Erweiterung des Kunsthauses in Zürich. Man kann dies also als gewachsene und gute Zusammenarbeit bezeichnen. Anspruchsvolle Architektur und ambitionierte Tragwerksplanung erfordern umfangreiche Arbeit im Detail. Daraus entstehen Reibungspunkte. Das kann einen zusammenschweißen oder man lebt sich auseinander. Unsere Verbindung ist jedoch nach wie vor sehr gut.
Die zentrale Lage war uns gar nicht so sehr bewusst, weil wir schon seit Anfang der 90er Jahre in Berlin auf der Museumsinsel arbeiteten: Zuerst bei einem sog. Generalgutachten für alle Gebäude – für die damalige Bundesbaudirektion –, später dann beim BBR an der Generalsanierung der alten Nationalgalerie, des Kolonnadenhofes und der spreeseitigen Uferwand. Somit sind wir insgesamt fast 30 Jahre regelmäßig auf der Museumsinsel zugange gewesen. Die exponierte Lage und die kulturelle Bedeutung der Gebäude schafft natürlich auch bei uns den Anspruch, an den tragwerksplanerischen Lösungen so lange zu feilen, bis ein sowohl funktional als auch ästhetisch optimales Ergebnis erreicht ist.

War der Umgang mit der historisch wertvollen Bausubstanz auf der Museumsinsel? Gab es Hindernisse oder Überraschungen?

Da wir bereits beim Neuen Museum als Planer tätig waren und das Pergamonmuseum aus der Zeit des Generalgutachtens von der Substanz her gut kannten. Zusätzlich hatten wir während der Bauarbeiten guten Kontakt zum Planungsteam des Pergamonmuseums. Kurze Wege in der Abstimmung waren daher keine wirklichen Probleme. Das für uns relevante Thema bei diesem Bauvorhaben war das Vermeiden von Erschütterungen, um die denkmalgeschützte Bausubstanz nicht zu beschädigen oder zu beeinflussen. Dies konnten wir bei den Gründungsarbeiten gut umsetzen, indem die Spundwände sehr erschütterungsarm eingesetzt wurden und wir auf Kleinbohrpfähle gegründet haben. Diese Vorgehensweise hatte sich schon beim Neuen Museum als vernünftig bewährt. Natürlich gab es auch Hindernisse – jedoch bis auf ein unterirdisches Pumpenhaus, das bei der Grundwasserabsenkung für den Bau des Pergamonmuseums benötigt wurde und das wir überbauen mussten, keine unbekannten. Während der Bauarbeiten wurden Teile der Pfahlgründung des ehemaligen Packhofes geborgen. Ein Pfahl wird bereits in der James-Simon-Galerie ausgestellt. Die bei weitem größte Überraschung beim Aushub stellte jedoch der Fund einer Bombe dar, die bereits vor Jahren bei vorherigen Baumaßnahmen umgeschlagen worden sein musste.

Welche Besonderheiten gibt es beim Baugrund?

Der Bauort liegt im Berlin-Warschauer-Urstromtal. Kennzeichnend ist ein wechselnd gelagerter Baugrund aus nicht tragfähigen organischen Bodenschichtungen, vermischt mit Sandschichten. Darauf können natürlich keine Lasten abgetragen werden. Im Bereich der James-Simon-Galerie stehen stabile, tragfähige Sandhorizonte teilweise erst bei Tiefen bis zu 40 Meter unter Geländeoberkante an.
Das Grundwasser korrespondiert mit den Wasserständen in Kupfergraben und Spree und steht relativ stabil bei ungefähr 2,6 Meter unter Geländeoberkante an.

Weshalb wurden die Drüsenstrahlsohlen nicht auch als Dichtsohle gegen drückendes Wasser genutzt?

Dies liegt in den Besonderheiten des Baugrundes. Man musste froh sein, wenn man die Drüsenstrahlsohlen in dem organischen Baugrund tragfähig herstellen konnte. Dort auch Dichtheit zu erwarten, wäre vermessen gewesen. Wir haben uns entschieden, dieses Risiko bei einem Wasserdruck von bis zu 10 Meter Wassersäule nicht einzugehen. Die Düsenstrahlsohle diente zur Stabilisierung der Aushubebene und als Fußauflager für die Baugrubenwände.

Wie wurden die hohen Anforderungen an den Sichtbeton bei den sehr schlanken Stützen bewerkstelligt?

Die Stützen sind Fertigteile, die unter kontrollierten Bedingungen im Werk hergestellt wurden. Aufgrund von nicht steuer- und kontrollierbaren wechselnden Witterungseinflüssen wäre dies vor Ort in dieser Qualität nicht möglich gewesen. Allerdings erfordern derartige Konstruktionen ein extrem hohes Maß an planerischer Detailarbeit und Präzision in der Ausführung.

Prof. Gerhard Eisele (61) ist Beratender Ingenieur, ö.b.u.v. Sachverständiger für Sicherung und Erneuerung von Alt- und historischen Bauten und seit 1986 bei der Ingenieurgruppe Bauen.

Josef Seiler (64) ist Beratender Ingenieur, Prüfingenieur für Baustatik und seit 1994 Partner der Ingenieurgruppe Bauen.

Schnitt durch die Baugrube mit Kleinbohrpfählen, DSV-Sohle, Unterwasserbetonsohle und tragender Bodenplatte (Zeichnung: Ingenieurgruppe Bauen) <figcaption>Schnitt durch die Baugrube mit Kleinbohrpfählen, DSV-Sohle, Unterwasserbetonsohle und tragender Bodenplatte (Zeichnung: Ingenieurgruppe Bauen)</figcaption></figure>