Querverschub einer Brücke

Querverschub einer Brücke

Ersatzneubau der Gumpenbachbrücke auf der B 27

Die Gumpenbachbrücke musste mitten in Kornwestheim durch einen Neubau ersetzt werden. Dabei wurde das östliche Brückenbauwerk in Seitenlage hergestellt und nach Abbruch des Bestandsbauwerks inklusive monolithisch verbundener Pfeiler in Endlage quer verschoben. Die Beeinträchtigungen des Verkehrs der Bundesstraße wurden so auf ein Minimum reduziert.

Wie wurden die Bauaktivitäten von der Sprengung bis zum Querverschub im urbanen Raum mit den Anwohnern abgestimmt?

Vor Baubeginn selbst wurde ein Informationsabend durch unseren Auftraggeber, das Regierungspräsidium Stuttgart, veranstaltet. Dieser wurde seitens der Anwohner:innen sehr gut angenommen. Auf deren Fragen und Wünsche wurde hier direkt eingegangen und der gesamte Bauablauf erläutert. Während des Bauablaufs selbst wurde die Baumaßnahme außerdem durch die örtlichen Pressestellen begleitet. Unser Auftraggeber nahm zusätzlich an einigen Gemeinderatssitzungen der Stadt Kornwestheim teil, um den aktuellen Bautenstand zu präsentieren und Verkehrsbeeinträchtigungen frühzeitig zu kommunizieren.

Was ist mit dem Abbruchmaterial der Altbrücke geschehen und was konnte wiederverwendet werden?

Das Abbruchmaterial der beiden Bestandsbrücken wurde vor Ort zerkleinert und anschließend abgefahren. Das Material wurde recycelt und für Verfüllungen für Baugruben oder Tragschichten an anderen, im Umkreis der Baumaßnahme befindlichen Bauvorhaben wiederverwendet.

Die Behelfswiderlager wurden über einen Sondervorschlag als Stahlbetonwand statt der geplanten Trägerbohlwand hergestellt. Welche Vorteile bringt schwer statt leicht?

Die ursprünglich vorgesehene Ausführung als rückverankerte „Verbauwand“ hätte bei kleinen Lageabweichungen bereits zu Kollisionen mit benachbarten Ankern geführt. Außerdem ist die Herstellung von Ankern zeitintensiv, da Aushärtezeiten beachtet werden müssen. Mit der Stahlbetonwand war in unserem Fall eine verformungsarme und schnell umsetzbare Lösung gefunden worden.

Wie wurde während und nach dem Querverschub die Integrität der Brückenstruktur überprüft?

Die Brücke wurde während und nach dem erfolgten Querverschub großflächig vermessen und der Querverschub durch den Prüfstatiker begleitet, um schädlichen Verschiebungen oder Setzungen der Brücke vorzubeugen. Vor endgültiger Verkehrsfreigabe erfolgte außerdem die erste Brückenhauptprüfung.

Bei all den Erd- und Verbauarbeiten: Wie wurden ungewünschte Setzungen der Nachbarbebauung verhindert und dies auch überprüft?

Vor Baubeginn wurde eine Aufnahme des damaligen Zustands der benachbarten Bebauung und der Zuwegungen zur Baumaßnahme durch einen Sachverständigen in Form einer Beweissicherung erstellt. Zusätzlich wurde während der gesamten Bauzeit die angrenzende Nachbarbebauung inklusive der Gasdruckregelstation mittels Erschütterungsmessungen begleitet. Die zuvor festgelegten Grenzwerte wurden nie überschritten, selbst bei den beiden Sprengungen nicht.

Rückblickend aus Ingenieurssicht: Was waren die größten Herausforderungen?

Die größte Herausforderung war sicherlich die Koordinierung der Arbeiten und der Ausführungsplanung in der kurzen Bauzeit. Die beiden Brücken wurden jeweils in lediglich sechs Monaten realisiert. Die Abstimmung der technischen Details durch die parallele Herstellung des Neubaus und des Abbruchs war sehr umfangreich. In Bauphase 1 mussten bereits die baulichen Vorbereitungen für die dritte und vierte Bauphase (Querverschub) getroffen werden. Im Hinblick auf die Bestandsbauwerke war oftmals Flexibilität notwendig, so wurde unter anderem eine Rollkieshinterfüllung der Widerlager angetroffen, welche die weiteren Verbauarbeiten für kurze Zeit stoppte und nur durch eine Bodeninjektion hinter den Verbau gelöst werden konnte. Auch interessant war die Erarbeitung eines Verguss- und Verpresskonzeptes zwischen Verschubbahn und Pfeilerfundament. Da das Bauverfahren mit Pfeiler und Fundamenten zu verschieben landesweit erstmalig erfolgte, gab es noch keinerlei Erfahrungswerte. Daher wurde intensive Arbeitsvorbereitung betrieben und diese an Probebauteilen überprüft und optimiert.

Was wurde aus dem Projekt Gumpenbachbrücke gelernt und kommt ein kompletter Brücken-Querverschub zukünftig öfter zum Einsatz?

Durch den Querverschub der östlichen Brücke inklusive der monolithisch verbundenen Pfeiler wurde eine Herstellung von Behelfspfeilern eingespart. Aus unserer Sicht ist das eine ressourcenschonende Bauweise. Der Querverschub selbst war in knapp zwei Stunden realisiert. Der Verkehr der Bundesstraße konnte bis auf kurzzeitige Beeinträchtigungen weiterfließen, da die östliche Brücke in Seitenlage hergestellt wurde.

Foto: privat

Caroline Heß ist Bauleiterin bei WOLFF & MÜLLER Ingenieurbau – Niederlassung Brückenbau.

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