Wie viele Brücken gibt es in Deutschland? war eine der Auftaktfragen zu den Brückenbautagen des Management Forum Starnberg Anfang November in Düsseldorf. Moderator Dr. Bernhard Hauke wusste von rund 100.000 Straßenbrücken, von denen mindestens 15.000 eines Ersatzneubaues bedürfen und zahlreichen, die saniert werden müssen. Damit war der Rahmen gesetzt. Den Auftakt machte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie Rene Hagemann mit einer Standortbestimmung: „Unsere Brücken sind in einem katastrophalen Zustand mit gravierenden Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort.“
Zur Behebung des Brückennotstandes forderte er weiterhin hohe Investitionen und versprach ein verantwortungsvolles Engagement der Bauindustrie. Anschließend zeigte Dr. Markus Gabler, Bereichsleiter Brückenbau bei Arup eine Vielzahl internationaler Entwicklungen im Brückenbau, welche sich oft auch auf unsere aktuellen Fragestellungen übertragen lassen. Dem folgte ein engagiertes Plädoyer von Bartlomiej Halaczek, International Director bei Knight Architects: Eine klug platzierte Fuß- und Radwegebrücke kann dabei helfen, das Verhältnis von Straßen- zu Fuß- und Radverkehr in einem Ort zugunsten der emissionslosen Fortbewegung zu verschieben. Gleichzeitig schaffen Brücken neue Aufenthaltsflächen mit oftmals hoher Qualität und tragen so zur Aufwertung der Quartiere bei. Durch geschickte Kooperation zwischen Architektur, Ingenieurwesen, Stadtplanung und Bauherrenschaft können Brückenbauwerke zu Fanalen der Net-Zero Bewegung zu werden.“
Brücken neu denken war das Motto von Jabra Soliman, Assoziierter Partner bei RKW Architecture+, der kürzlich mit seinem Initiativentwurf „Green Bridge“ als multifunktionalem Ersatzneubau für die Düsseldorfer Theodor-Heuss-Brücke für Furore sorgte. Beide diskutierten zusammen mit Rolf Jung, Vorstandsvorsitzender von Leonhardt, Andrä und Partner überaus lebendig zukunftsfähige Konzepte für Brücken aus den verschiedenen Perspektiven. Rolf Jung erläuterte schließlich noch die Orthoverbundfahrbahnplatte als vorteilhafte Kombination der leichten, aber weichen orthotropen Fahrbahnplatte und den robusten, aber schweren Verbundbrücken. „Gerade die Bauingenieure können einen wesentlichen Beitrag zur Einsparung von Ressourcen und somit zur Reduktion des CO2 Ausstoßes leisten“, so Rolf Jung. SEH Engineering - Geschäftsführer Uwe Heiland ging dann auf verschiedene Vertrags- und Verantwortungsmodelle ein. Die Abwicklung von Brückenbauprojekten müsse insgesamt effizienter werden, so sein Credo.
In die gleiche Kerbe schlug Matthias Müller vom KIT, der bei der Bewertung der Kosten oder Umweltwerte im Brückenbau über das Bauwerk hinaus die externen volkswirtschaftlichen Aspekte mit berücksichtigt sehen will. Bauleiterin Caroline Heß von Wolff & Müller Ingenieurbau bekam viel Beifall für den Ersatzneubau mit Querverschub der Gumpenbachbrücke im beengten Baufeld in Kornwestheim. Solche kniffeligen Aufgaben gibt es zunehmend. Der Ansatz von Dr. Hendrik Gaitzsch von der Autobahn liegt beim Erhaltungsmanagement der Fernstraßenbrücken mittels Monitoring und digitalem Zwilling. Nicole Jaschinsky, GL Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft ging ihrerseits auf die digitalen Möglichkeiten projektorientierter Planungsprozesse im Brückenbau ein. Die Abschließende Diskussion mit den drei Protagonist:innen von Bauherr (Autobahn), Ingenieurbüro und Baufirma machte die Potentiale nochmals deutlich, aber auch die aktuellen Defizite, insbesondere bei der Modellübergabe.
Nach einem gesprächsintensiven Ausklang mit den Referent:innen und den ausstellenden Firmen ging es am nächsten Morgen mit der Erläuterung der Planung der neuen Stadtbahnbrücke im Zuge der künftigen Stadtbahnlinie U81 zum Düsseldorfer Flughafen durch Guido Herbrand, GL des Ingenieurbüros Grassl weiter. Anschließend stellte Thomas Fiedler, Bereichsleiter Wayss & Freytag Ingenieurbau das aktuelle Baugeschehen der Stadtbahnlinie U81 dar. Zu guter Letzt konnte nach einer kurzen Busfahrt zum Flughafen Düsseldorf die Baustelle der Stadtbahnline U81 von der zukünftigen unterirdischen Haltestelle bis zur ikonischen Stadtbahnbrücke besichtigt werden. Damit gingen eineinhalb intensive Brückenbautage in Düsseldorf zu Ende an denen Innovationen wie neue Bauverfahren, Digitalisierung von Modellen bis Monitoring, Nachhaltigkeit mit ganzheitlicher Bewertung bis Leichtbau sowie die Prozessqualität mit schnelleren Genehmigungsverfahren oder zeitgemäßen Vertragsmodellen vorgestellt und diskutiert wurden, so Moderator Dr. Bernhard Hauke vom Verlag Ernst & Sohn resümierend, während Projektmanagerin Petra Geiger vom Management Forum Starnberg die zweiten Brückenbautage für November 2023 bereits ankündigte.