Das Hotel Bergamo in Ludwigsburg wertet das Areal des Marstall-Centers und der neuen Stadtterrasse städtebaulich auf und ist gleichzeitig als CO2-neutrales Gebäude ein Musterprojekt.
Der Hotelneubau hat eine starke architektonische und städtebauliche Ausstrahlung. Ab wann und mit welchem Beitrag kamen Sie als Tragwerksplaner dazu?
Bei vielen unserer Projekte sind wir schon im Wettbewerb unterstützend tätig. So auch beim Hotel Bergamo, allerdings hier nicht im siegreichen Team. Die Zusammenarbeit mit VON M Architekten begann darum erst in der Vorplanung. Ein Holzbau war schon in der Wettbewerbsauslobung gefordert und die Raumzellenbauweise war durch die Architekten schon angedacht. Wir haben anschließend die Module konzipiert und die komplette Tragwerksplanung für den Holz- und den Massivbau erbracht.
Die Holzbaumodule wurden in Vorarlberg produziert und nach Ludwigsburg transportiert. Wurden die Transportaufwendungen bei der CO2-Bilanz eingerechnet?
Die CO2-Bilanzierung erfolgte innerhalb der Systemgrenzen einer Cradle-To-Gate-Betrachtung, also bis zum Verlassen des „Werkstors“ der jeweiligen Herstellerwerke der Baustoffe. Der Transport nach Ludwigsburg ist also in der Bilanzierung nicht beinhaltet, wobei die Emissionen für den Transport und Einbau im Verhältnis zu den durch die Baustoffe generierten bzw. gespeicherten Emissionen um Größenordnungen geringer ausfallen: Für eine Sattelschlepperfahrt von der Steiermark nach Stuttgart und zurück ist ca. eine Tonne CO2-Äquivalent anzusetzen – mit dem im Gebäude verbauten Holz werden demgegenüber jedoch ca. insgesamt 320 Tonnen kompensiert.
Wie wird der thermische Komfort hier sichergestellt?
Holz hat zunächst eine geringere thermische Masse als andere Baustoffe. Allerdings arbeiten wir beim Hotel Bergamo mit Massivholztafeln, die weit mehr Masse besitzen als Ständerwand-Konstruktionen. Die Massivholzwände können sowohl Feuchtigkeit als auch Wärme wesentlich besser speichern. Eine weitere Maßnahme war das Verwenden eines Zementestrichs, der zusätzlich thermische Masse bringt und im Winter zum Heizen und im Sommer zum Kühlen aktiviert wird. Das Gebäude benötigt daher keine klassischen Kühlsysteme, die man aus anderen Hotelbauten kennt.
Welche Themen waren für Sie als Ingenieur noch herausfordernd?
Wir haben große Erfahrung im Planen mit Raumzellen aus Holz und sind grundsätzlich sehr gut mit der Materie vertraut. Beim Projekt Hotel Bergamo einzigartig ist die durch die Dachform gegebene Geometrie der Raumzellen. Die oberen beiden, im Bereich des Mansardendachs liegenden Raumzellen sind keine Quader, wie sonst üblich. Es ergaben sich – je nach Lage – Module mit ein- oder zweiseitig „gekröpften“ oder schrägen Seitenwänden. Die dadurch entstehenden Horizontalkräfte mussten im Sinne der Theorie von Faltwerken abgeleitet bzw. ausgeglichen werden.
Konrad Merz ist Partner im Ingenieurbüro merz kley partner in Dornbirn.
Mehr dazu auch im Jahrbuch Ingenieurbaukunst 2023.
Das 4. Symposium Ingenieurbaukunst – Design for Construction 2022 mit dem Thema: Bauen mit und im Bestand findet am 29. November 2022 im Wallraf-Richartz-Museum Köln + Online. Infos und Tickets hier auf www.ingd4c.org