29. November 2023, Oskar von Miller Forum München & Online
Impuls: Moderner tragender Lehmbau
Matthias Oppe, knippershelbig
Ute Reeh, Zentrum für Peripherie
Matthias Oppe von knippershelbig hob hervor, dass Lehm als Baustoff CO2-neutral ist und mittlerweile auch Wohngebäude der Gebäudeklassen 1 und 2 machbar sind. Beim Weleda-Campus wurden die unteren 8 m der Fassade aus Stampflehm mit einer charakteristischen Druckfestigkeit von 2,4 N/mm² ausgeführt. Um eine Begrenzung von Rissbreiten zu erreichen, wurden Geogitter in den Stampflehm eingebaut. Bei der Alnatura Arbeitswelt wurden vorgefertigte Lehmelemente eingesetzt. Der Vorteil ist hierbei besonders die Witterungsunabhängigkeit, da Lehm zur Erreichung von Festigkeit austrocknen muss. Tests zeigen, dass eine Regenauswaschung nur bis etwa 50 % der Gesteinskörnung stattfindet. Diese Querschnittsverringerung muss bei den statischen Nachweisen berücksichtigt werden, fällt aber bei den üblichen Lehmbauabmessungen nicht groß ins Gewicht. Ute Reeh vom Zentrum für Peripherie betonte zunächst die Bedeutung von Kunst und Kommunikation in Bezug auf alte Bauweisen: „Kunst kann genau dort ansetzen, wo sich alle sicher sind, es gäbe keine oder keine andere Lösung“. Komplexe Zusammenhänge können mit einem Durchlöchern von Systemen von Gewissheit sichtbar gemacht werden, um Perspektiven zu erkennen und Visionen weiterzuführen. Als Beispiel führte Reeh das geplante Düsseldorfer Wiesencafe in Wellerlehmbauweise an, bei dem unter Einbeziehung von Schülern und Studierenden eine hohe bauliche und ästhetische Qualität erreicht wurde. „Qualität entsteht, wenn man alle einbezieht und die Denkwende vorantreibt“, schloss Reeh.
Projekt: Stampfbetonfassade Bertoldturm Neuenburg/Rhein
Martin Stumpf, wh-p Ingeniere, HfT Stuttgart
Martin Stumpf von wh-p Ingenieure stellte die Stampfbetonfassade des Bertholdturms bei Neuenburg am Rhein vor. Vor der Ausführung der 36 m hohen Fassade wurden zahlreiche Proben und Mockups erstellt. Herausfordernd waren die Ermittlung der maximalen Lagendicke sowie die Ausbildung der aufgelösten Fassade. Da keine Zugkräfte auftreten dürfen, werden Horizontallasten über Edelstahlanker in den Betonaufzugsschacht eingeleitet. Der Stampfbeton erreichte eine Festigkeit bis C25/30 und wurde auch für die 215 m lange gekrümmte und im Schnitt geneigte Fassadenwand des Parkhauses eingesetzt. Zur Vermeidung von Rissen in der unbewehrten Wand erfolgte eine in Längsrichtung gleitende Lagerung sowie eine Unterteilung in 8,5 m lange Wandsegmente. Weiter stellte Martin Stumpf im Rahmen eines Forschungsprojekts hergestellte Deckenelemente aus Holzbalken und Bogenelementen aus Stampflehm vor.
Diskussion
mit Ipek Ölcüm, Industrieverband Lehmbaustoffe
Simon Breidenbach, ClayTec
Ipek Ölcüm erläuterte, dass Lehm sowohl als tragender Baustoff als auch für den Innenausbau mit z.B. Lehmbauplatten verwendet werden kann. Häufig müsse jedoch erst der Bauherr überzeugt werden, bevor Lehm als Baustoff zur Anwendung komme. Reeh betonte, dass Wellerlehm meist aus anfallendem Bodenaushub und Stroh bestehe und daher bezahlbar sei. Außerdem ist eine vollständige Kreislauffähigkeit gegeben, da Wellerlehm einfach auf dem Acker verbleiben könne. Matthias Oppe forderte, Lehm dort einzusetzen, wo dieser regional verfügbar sei. Zukünftig, so die Schlussfolgerung, müssten alle Materialien genutzt werden und seien alle Professionen im Sinne der Nachhaltigkeit wichtig. Dafür müssen wir vieles ausprobieren, auch wenn nicht alles beim ersten Versuch erfolgreich ist.
Das 6. Symposium Ingenieurbaukunst – Design for Construction
Klimagerechte und zuverlässige Infrastrukturen
Am 28. November 2024 in Berlin + Online