Das Ludwig Erhard Zentrum in Fürth ist ein Bauwerk, das rechnerisch nachweisbar, aber baulich nur umsetzbar ist, wenn Leidenschaft für den Projekterfolg alle Beteiligten verbindet und das Ziel partnerschaftlich erreicht wird. Bernhard Hauke hat darüber mit Oliver Schwenke gesprochen, Partner bei TRAGRAUM Ingenieure.
Was waren die wichtigsten technischen Herausforderungen beim Ludwig Erhard Zentrum?
Der Kern der Ingenieurleistung lag in der Herstellung der Bebaubarkeit des innerstädtischen Grundstücks mit unterirdisch querender U-Bahn-Trasse, Bahnhofszugang im Baufeld und direkt angrenzenden teilweise unter Denkmalschutz stehenden Nachbarbebauungen. Der Wettbewerbsentwurf von Reinhard Bauer gab dabei die gestalterischen Schwerpunkte der Architektur in Form der charakteristischen nach außen wirkenden Kuben mit stützenfreien Ausstellungsflächen, Kappendecken und maßstabsauflösenden und fugenlosen Sichtbetonfassaden vor. Zusätzlich war die aufwändige Lüftungstechnik in die Konstruktion zu integrieren.
Wie genau wurde der Lastabtrag in den Baugrund gesteuert und bei der Ausführung überprüft?
Durch die Situierung des Entwurfs mit maximaler Ausnutzung der Grundstücksfläche in Verbindung mit der Geometrie des U-Bahnhofs ergab sich im ersten Schritt die maximal mögliche Unterkellerung des Neubaus. Darauf aufbauend wurde das Haupttragsystem mit zugehörigem Gründungskörper als Flachgründung konzipiert und bereits in der Vorplanung als parametrisiertes Rechenmodell entwickelt und an eine Halbraumberechnung gekoppelt. Wir strebten an, den zwischen den U-Bahnröhren liegenden Sandsteinbereich als Fixpunkt für die Hauptlasten des Neubaus zu aktivieren. Dies gelang durch Nutzung der räumlichen Tragwirkung der Betonkuben. Der restliche Lasteintrag auf den Tunnel konnte so minimiert und mit dem Halbraummodell nachgewiesen werden. Zusätzlich erfolgten während der Bauarbeiten regelmäßige Begehungen der überbauten Tunnelbereiche, um unplanmäßige Ablastungen frühzeitig festzustellen.
Wie wurde die geforderte Entkopplung des Hochbaus von der U-Bahn angegangen?
Die Trennung zwischen Neubau und U-Bahn musste sicher und überprüfbar baulich umgesetzt werden. Durch den Einsatz von Spülplatten unter definierten Bodenplattenbereichen, die nach Erhärten des Betons mit Wasser ausgespült wurden, konnten planmäßige – im Endzustand lastfreie ‒ Hohlräume im Bereich der Zugangskalotte des U-Bahnbauwerks hergestellt werden.
Warum beteiligt sich die Sichtbetonfassade nicht am Lastabtrag? Wäre dies aus Gründen der Ressourceneffizienz wünschenswert?
Aufgrund der klaren Trennung zwischen der nichttragenden Fassade und dem innenliegenden Tragwerk konnten sowohl eine deutliche Vereinfachung der Ausführung als auch Ressourcenschonung bei der Umsetzung der bauphysikalischen Anforderungen an die Minimierung von Wärmebrücken und erforderliche Dampfdichtigkeit erreicht werden.
Mehr dazu im Jahrbuch Ingenieurbaukunst 2021: www.ernst-und-sohn.de/ingenieurbaukunst-2021 • Ein Balanceakt auf Sandstein – Das neue Ludwig Erhard Zentrum in Fürth. Oliver Schwenke, Alexander Hentschel
Mitdiskutieren: 3. Symposium Ingenieurbaukunst - Design for Construction 2021 am 18. November 2021 in Frankfurt/M. Wie bauen wir zirkulär? Info und Anmeldung: www.ingd4c.org