Brücken weiterbauen

Brücken weiterbauen

Eisenbahnbrücke Lange-Feld-Straße in Hannover

Die Eisenbahnbrücke Lange-Feld-Straße in Hannover ist ein Beispiel für das schwierige, hochkomplexe Weiterbauen denkmalgeschützter stählerner Eisenbahnbrücken. Das realisierte Konzept versucht, den gesellschaftlichen Konflikt zwischen funktionierender Infrastruktur und Denkmalschutz mit einem innovativen Ansatz zu lösen. Weiterbauen bedeutet, sich mit der Materie, dem Bestand und dem geschichtlich-konstruktiven Kontext einer Brücke zu befassen. Die Übersetzung des ursprünglichen Entwurfsgedankens in ein neues, heutiges Bauwerk, auch mit der Integration von Bestandskonstruktionen, ist der Anspruch von MKP beim Brücken-Weiterbauen. Bernhard Hauke hat mit Ludolf Krontal gesprochen.

Was waren die maßgebenden technischen Aspekte der Brückenerneuerung?

Das technische Einzeldenkmal von 1906 war für die zukünftigen Aufgaben im Streckennetz der Deutschen Bahn nicht zu halten und die Tragstruktur musste vollständig erneuert werden. Die Aufgabe ist sehr typisch im innerstädtischen Eisenbahnbrückenbau - die Bauräume waren begrenzt, die Überbauhöhen und lichten Öffnungsmaße sollten nicht verändert werden, Sperrungen des Bahn- und Straßenverkehr sollten so kurz wie möglich ausfallen. Da beginnen wir als Ingenieure, zahlreiche Varianten zu überlegen, um für diese Örtlichkeit genau die richtige Antwort zu finden.

Bild 1: Ansicht Südseite mit originalen Natursteinen, Foto: Ludolf Krontal

Wie hat sich der baukulturelle Anspruch dabei ausgewirkt?

Ein „Nachbau“ der Bestandsbrücke als Reaktion auf den Denkmalstatus war aus unserer Sicht nicht vertretbar. Jede Konstruktion widerspiegelt ihre Zeit und technischen Zusammenhänge. Wir haben mit den heutigen Kenntnissen und technischen Mitteln eine Transformation der ursprünglichen Dreifeldbrücke in eine moderne integrale Einfeldbrücke aus Stahl vorgenommen. Wichtig war uns, die Proportionen des neuen Bauwerkes so zu erhalten, dass der Wiedereinbau der historischen Natursteinelemente gelingt und ein durchgängig hochwertiges Bild auch in der Materialität geschaffen wird. Die Qualität der Natursteinarbeiten von 1906 und ihre Alterung ist mit der sensiblen restauratorischen Arbeit sehr gut zu erkennen.

Bild 2: Längsschnitt des Neubaues, Zeichnung: Marx Krontal Partner

Warum wurde als System ein Stahltrograhmen gewählt?

Wir wollten mit dem Entwurf auch ein neues integrales Stahlbrückensystem für die sehr zahlreichen vergleichbaren Eisenbahnbrücken der DB etablieren. Für den Stahltrograhmen gibt es konstruktive und statische Vorteile; vor allem im Unterhalt ist ein Rahmenbauwerk aufgrund fehlender Fugen und Lager sehr robust und dauerhaft. Dagegen ist die Herstellung etwas komplexer als die von vergleichbaren gelagerten Standardlösungen. Ob sich diese Bauart als neue Lösung für sehr schiefwinklige Stahlbrücken etabliert, wird sich in der Zukunft herausstellen.

Bild 3: Die Widerlager und Flügel entsprechen den Bestandsformen und -proportionen, Foto: Ludolf Krontal

Was lässt sich für ähnliche Eisenbahnbrücken verallgemeinern?

Die Deutsche Bahn hat eine Mammutaufgabe vor sich - sehr viele alte Bauwerke aus der Pionierzeit der Eisenbahn sind zu erneuern. Diese historischen Brücken stehen oft unter Denkmalschutz und besitzen damit einen besonderen Status. Sicher können nicht alle Bauwerke wie im Beispiel der Eisenbahnbrücke Lange-Feld-Straße erneuert werden. Bei historisch bedeutenden Bauwerken muss jedoch eine enge Zusammenarbeit zwischen der DB und den Denkmalbehörden gelingen, um unsere Bauzeugnisse in der Zukunft nicht zu verlieren. Wir als Ingenieure nehmen hier eine wichtige Vermittlerrolle ein.

Ludolf Krontal ist Geschäftsführer und Gesellschafter im Ingenieurbüro Marx Krontal Partner in Hannover I Weimar und hat 2012 den Deutschen Brückenbaupreis gewonnen.

Ludolf Krontal, Foto: Inga Seevers, Hamburg

Mehr zur Eisenbahnbrücke Lange-Feld-Straße in Hannover im Jahrbuch Ingenieurbaukunst 2022

Der Spagat zwischen Sicherheit und Denkmalschutz - Der Weiterbau an der Eisenbahnbrücke Lange-Feld-Straße in Hannover. Ludolf Krontal, Sven Kromminga, Falk Hoffmann-Berling.

Mitdiskutieren: 3. Symposium Ingenieurbaukunst - Design for Construction 2021 am 18. November 2021 in Frankfurt/M. Wie bauen wir zirkulär? Info und Anmeldung: www.ingd4c.org