Beim ersten Block des 2. Symposiums Ingenieurbaukunst - Design for Construction ging es um die bewusst überhöhte Frage: Effiziente Strukturmorphologie oder Freiform?
Impuls Jan Knippers, Uni Stuttgart, Jan Knippers Ingenieure: Zwei Pavillons der BUGA 2019 Heilbronn
Im Bauwesen muss der Ressourcenverbrauch bei weltweit steigendem Bedarf an Wohnfläche reduziert werden. In den meisten Industriebereichen besteht ein linearer Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Innovation, nicht jedoch im Bauwesen. Deswegen müssen die Prozessketten im Bauwesen, die fest in den Köpfen verankert sind, aufgebrochen werden, um Innovationen zuzulassen. Am Beispiel zweier Pavillons der BUGA 2019 in Heilbronn kann gezeigt werden, wie die Digitalisierung zu Innovationen im Bauwesen führen kann. Der Faserpavillon hat eine völlig neue Bauweise mit Carbonfasern und neuen Prozessen. Ressourceneffizient ist hier insbesondere, dass genau so viel Material verwendet wird, wie nötig ist. Auch das Bauen vor Ort ist ohne Staub und Abfall möglich. Trotzdem wird wie bei jedem Bauwerk CO2 emittiert. Deshalb muss das CO2-Speichervermögen von Holz genutzt werden. Holzbauten hatten bislang ein limitiertes architektonisches Spektrum und es werden Elemente aus Stahl und Stahlbeton benötigt. Der Holzpavillon in Heilbronn trägt jedoch nur mit Hartholznägeln und konnte ohne Gerüst gebaut werden. Das Prinzip könnte auch bei temporären Bauten oder Aufstockungen genutzt werden. Ziel ist eine Übertragung auf den Geschosswohnungsbau.
Impuls Bernd von Seht, Wetzel von Seht: Axel-Springer-Neubau Berlin
Der Axel-Springer-Neubau in Berlin verfügt über einen offenen Innenraum mit sehr schlanken Stützen ohne unmittelbar erkennbare Ordnung. Entwurfsgedanke war, das Gebäude aufzuschneiden, um so Freiraum für besseres Arbeiten zu schaffen. Dies bedeutet neben Herausforderungen im Lastabtrag aber auch Herausforderungen beim Brand- und Schallschutz. Außerdem erforderte die Herstellung zahlreiche Gerüstelemente und die oberen Geschosse sind mit Betonzugstützen über ein Stahlfachwerk in der Dachebene abgehängt. Mit BIM konnte trotz der Komplexität innovativ und materialeffizient geplant werden.
Diskussion mit Mike Schlaich, TU Berlin, sbp:
Jeder Bauschaffende muss sich in der heutigen Zeit die Frage stellen: Welche Bauweise ist effizient? Für Jan Knippers ist jeder Neubau ineffizient; einzig nachhaltig sei der Holzbau. Es müsse eigentlich das Ziel sein, ein Gebäude wie den Springer-Neubau aus Holz zu bauen. Bernd von Seht ergänzt, dass die Nachhaltigkeit von Bauweisen von vielen Kennzahlen abhänge und wir am Baustoff Holz als nachhaltigstes Material vielleicht nicht vorbeikommen. Aber wann erleben wir experimentelles Bauen wie bei den BUGA-Pavillons in der Praxis? Forschung komme noch zu wenig in der Baupraxis an, bedauert Jan Knippers, aber genau das müsse in Zukunft das Ziel sein. Bernd von Seht zeigt am Beispiel eines Geschosswohnungsbaus, dass Holzbau und Digitalisierung durchaus auf dem Vormarsch sind. Derzeit sind wir noch auf hybride Bauweisen angewiesen. Zur Frage, ob Holzbau nur eine Modeerscheinung sei und auch dünnwandige Bauteile, zum Beispiel aus Carbonbeton, eine Lösung seien, glaubt Jan Knippers, dass eine langfristige Trendumkehr beim Bauen nur mit Holz möglich sei. Aber hybride Bauweisen würden noch lange sichtbar bleiben. Auch Bernd von Seht ist der Ansicht, dass es Mischbauweisen weiterhin geben wird. Zudem wird angemerkt, dass BIM in Zukunft immer wichtiger werde und dementsprechend auch mehr in der Lehre verankert werden müsse.
Beim 3. Symposium Ingenieurbaukunst - Design for Construction 2021 am 18. November in Frankfurt/Main und Online wird die Frage diskutiert: Wie bauen wir zirkulär? Programm und Anmeldung: www.ingd4c.org
Mehr dazu auch im neuen Jahrbuch Ingenieurbaukunst 2022, das Anfang Dezember erscheint.