Beim 3. Symposium Ingenieurbaukunst am 18. November 2021 in Frankfurt/Main stand der zweite Themenblock unter dem Motto: Keep it in the loop.
Im ersten Impuls gingen Prof. Dr.-Ing. Harald Kloft von der TU Braunschweig und Prof. Dr.-Ing. Oliver Tessmann von der TU Darmstadt auf die Wiederverwendung von tragenden Bauteilen ein. Im Forschungsvorhaben Fertigteil 2.0 wird die Wiederverwendbarkeit von Stahlbetonfertigteilen aus abrissreifen Gebäuden technisch und logistisch mit digitalen Werkzeugen untersucht. Die Wiederverwendung von Bauteilen war jahrhundertelang ein allgegenwärtiges Prinzip des Bauens und gehört zu unserer Baukultur. Besonders lohnt es sich, Bauteile mit viel grauer Energie in neuen Tragstrukturen wiederzuverwenden. Dies sind zum Beispiel Stahlbetonbauteile, die häufig als Fertigteile für Decken, Balken und Stützen genutzt werde. Die Wiederverwendung vorhandener Stahlbetonfertigteile erfordert eine systematische Herangehensweise bei Planung und Ausführung wie digitales Aufmaß, ingenieurmäßige Identifikation oder statisch-konstruktive Analyse der Bauteile. Kern des Planungsprozesses ist die optimierte Zuordnung der vorhandenen Bauteile in die Tragstruktur eines neuen Gebäudes. Weitere Schritte sind der schadensfreie Rückbau, Transport, Zwischenlagerung und Wiederanbau des jeweiligen Bauteils in einer neuen Tragstruktur. Diese Schritte können nur dann wirtschaftlich und nachhaltig umgesetzt werden, wenn der Planungsprozess vorher virtuell durchgespielt wird. Algorithmen der Kombinatorik sowie virtuelle Methoden der Bauteilerfassung sind die wichtigsten Werkzeuge dazu. Ein so komplexer Prozess erfordert eine ganzheitliche Zusammenarbeit von Ingenieur und Architekt. Siehe auch: Bernhard Hauke, Bo Kasal, Harald Kloft und Oliver Tessmann: Perspektiven zirkulären Bauens – Wiederverwendung von tragenden Bauteilen aus Holz, Stahl und Beton. In Jahrbuch Ingenieurbaukunst 2022.
Im zweiten Impuls erläuterten Prof. Dr.-Ing Angelika Mettke von der BTU Cottbus und Dr.-Ing. Alexander Hentschel von TRAGRAUM Ingenieure die Anwendung von Recycling-Beton bei der Umweltstation der Stadt Würzburg. Die Nutzung von Gebrauchtem trifft oft noch auf gesellschaftliche Vorbehalte. Recyclingbeton ist jedoch qualitativ genauso gut wie konventioneller Beton, da ausschließlich die Zuschlagsstoffe anteilig aus Abbruchmaterial erzeugt werden. Recyclingbeton ist vollständig geregelt und technisch einwandfrei umsetzbar. Leichte Einschränkungen gibt es lediglich bei den Expositionsklassen. Um mit Recyclingbeton CO2 einzusparen ist die Primärenergiebilanz für die Herstellung des Brechmaterials sowie für den Transport zum Mischwerk und danach zur Baustelle wichtig. Deshalb ist für den nachhaltigen Einsatz von Recyclingbeton die regionale Verfügbarkeit von Brechmaterial von großer Bedeutung. Siehe auch: Angelika Mettke und Alexander Hentschel: Pilotprojekt aus Recycling-Beton – Die neue Umweltstation der Stadt Würzburg. In Jahrbuch Ingenieurbaukunst 2022.
In der anschließenden Diskussion mit Dr.-Ing. Christiane Lemaitre von der DGNB und Annabelle von Reutern von Concular bemängelt Alexander Henschel die noch fehlende gesellschaftliche Anerkennung für das Bauen mit gebrauchten Materialien. Christine Lemaitre macht dafür das marktwirtschaftliche Credo des Wachstums mit verantwortlich und fordert den Neubau zur Ausnahme zu machen. Harald Kloft erläuterte anschließend, dass die Bestandserfassung den vermehrten Einsatz digitaler Methoden erfordere, insbesondere zur statischen Bewertung. Oliver Tessmann ergänzte, dass Planen grundsätzlich neu gedacht werden müsse mit Bauteilen, die schon da sind. Für Angelika Mettke ist der Rohstoffmangel ein wichtiges Thema und lokale, zirkuläre Wertstoffkreisläufe die Lösung dafür. Annabelle von Reutern warb ebenso dafür, regionale Bauprodukte zur Wiederverwendung zu nutzen sowie graue Energie und Transportwege über die Ökobilanz transparent zu machen.
Das 4. Symposium Ingenieurbaukunst (#4_IngD4C) findet am 29. November 2022 in Köln statt, Thema ist „Bauen mit und im Bestand”.