Beim 3. Symposium Ingenieurbaukunst am 18. November 2021 in Frankfurt/Main stand der vierte Themenblock unter dem Motto: Möglichmacher Digitalisierung.
Im ersten Impuls ging Dr.-Ing. Michael A. Kraus von der ETH Zürich auf die Digitale Transformation und insbesondere auf Künstliche Intelligenz ein. Diese kann immer nur so gut sein, wie die Daten, mit denen sie gefüttert wird. Damit ist KI eher evolutionär denn revolutionär. Vom ersten Computer Aided Design über 3D-Anwendungen, BIM, parametrische Planung und generatives Design hin zu Bauanwendungen von Künstlicher Intelligenz war es ein langer Weg. Aktuell steht davor KI in der Wertschöpfungskette des Bauens vom Vorentwurf über die Ausführung hin zum Betrieb der Bauwerke etabliert zu werden. Mit KI können Entwurfsprozesse selbstlernend generativ unterstützt und die Variantenerzeugung im Zuge des Vorentwurfs automatisiert werden. Auch hier ist es wichtig, dass die Daten von den Planenden in datenbankkonform Form zur Verfügung gestellt werden. Erfolgreiche KI bedarf daher einer optimalen Zusammenarbeit aller Fachkompetenzen – Architektur, Engineering und Ausführung – mit den Informatikern als Entwickler der entsprechenden Algorithmen und Datenbanken.
Siehe auch: Michael A. Kraus, Laura Lammel und Mathias Obergrießer: Digitale Transformation und Künstliche Intelligenz – Herausforderungen und Lösungsansätze bei der Kombination von Theorie und Praxis. In Jahrbuch Ingenieurbaukunst 2022.
Im zweiten Impuls erläuterte Karin Lünser von LAP Umbau, Sanierung und Erweiterung des Jüdischen Museums Frankfurt, bei dem der respektvolle Umgang mit der Bausubstanz für eine ressourcenschonende Bauweise im Fokus stand. Zur Analyse der Bausubstanz und zur Festlegung der Umbaumaßnahmen kamen digitale Verfahren zum Einsatz. Der Bestandsbau sowie alle Bauteile des Neubaus wurden in einem BIM-Modell abgebildet. Dieses war Grundlage für alle Planungsschritte wie statische Berechnungen oder die Schal- und Bewehrungspläne. Eine 3D-Modellierung der Bewehrung ermöglichte die Planung und Umsetzung der komplexen Bauteilgeometrien sowie der Schnittstellen zwischen bestehenden und neuen Tragelementen. Die Komplexität solcher Bauvorhaben mit der Einbeziehung bestehender Bauteile ist ohne digitale Planung kaum denkbar. Das Beispiel zeigt, welche hohe Planungsqualität ein vollständig digitaler Planungsprozess ermöglicht.
Siehe auch: Daniel Mok, Thomas Gehrunger und Karin Lünser: Symbiose von Alt und Neu – Umbau, Sanierung und Erweiterung des Jüdischen Museums in Frankfurt am Main. In Jahrbuch Ingenieurbaukunst 2022.
In der anschließenden Diskussion mit Prof. Dr.-Ing. Klaus Bollinger von Bollinger+Grohmann und Marcel Burger von Wolff & Müller Ingenieurbau ergänzt letzterer, dass bei Baulogistik und Vermessung digitale Werkzeuge ebenso Standard sind und sich damit auch im Bauablauf viele Fehler vermeiden lassen. Michael Kraus fügt hinzu, dass Künstliche Intelligenz noch einen Schritt weiter geht, Muster erkennen und damit z.B. Voraussagen zur Wartung von ähnlichen Bauteile treffen kann. Katrin Lünser betont, dass trotz BIM und KI die Kompetenz und Erfahrung der Ingenieur:innen immer gebraucht werden. Klaus Bollinger, einer der Parametrik-Pioniere, berichtet, dass anfänglich geometrische Fragestellungen im Mittelpunkt standen, heute aber materialsparende und ressourcenoptimierte Tragwerke mit Betrachtung des gesamten Lebenszyklus mittels parametrischer Planungsmethoden möglich sind und Themen wie Rückbau und Wiederverwendung als neue Aspekte hinzukommen. Michael Kraus fordert, an den Hochschulen bauliches Fachwissen stärker mit Informatik und Statistik zu kombinieren sowie Lehre und Forschung interdisziplinärer zu denken.
Das 4. Symposium Ingenieurbaukunst (#4_IngD4C) findet am 29. November 2022 in Köln statt, Thema ist „Bauen mit und im Bestand“.